Liebe Gemeinde,
es hätte ja so ein richtig schönes Fest sein können. Wir sitzen im Garten, die Sonne scheint, es gibt tollen Kuchen und nachher noch richtig leckere Sachen zum Grillen. Freunde und gute Bekannte sind da. Einfach genial. Und doch bin ich plötzlich irritiert und fühle mich unwohl. Mitten drin fängt jemand an, seine Meinung zu sagen. Und die ist alles andere als angenehm für mich. Und es geht nicht darum, welcher Verein in der Bundesliga nun der Beste ist. Es geht um Weltanschauungen und Grundsätzliches.
Meine gute Stimmung ist erstmal dahin. Soll ich dagegen wettern, ihm meine Meinung ebenfalls laut und deutlich kundtun? Oder am besten gleich unter Protest das schöne Fest verlassen? Mich nie wieder mit Menschen, die diese Meinung vertreten, an einen Tisch setzten? Im Moment bin ich sehr verunsichert. Habe keine Antwort und schweige und fühle mich einfach nur schlecht.
In der Bibel erlebt Petrus etwas, das ihn sehr nachdenklich macht. Bisher war sein Weltbild klar. Es gibt Juden und die sind die wahren Gläubigen. Wenn diese sich dann auch zu Christus bekennen, dann ist alles gut. Die anderen sind Heiden und denen geht man am besten aus dem Weg.
Jetzt sitzt er da und hat Hunger und erlebt, wie Gott ihm verschiedene, nach jüdischer Glaubensart verbotene Lebensmittel zeigt und ihn auffordert, sie zuzubereiten und zu essen. Hallo Gott: ich bin gläubiger Jude, das kannst du mit mir nicht machen. Aber Gott lässt nicht locker und ganz langsam begreift er die Botschaft, die dahintersteckt.
Als er später mit einem römischen Hauptmann und seiner Familie zusammensitzt und über den Glauben redet, kommt die Erkenntnis:
„Mir hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf“ (Apostelgeschichte 10,28)
Damit ist der Weg frei, dass auch Nicht-Juden die Gemeinschaft zu Gott und Jesus Christus nicht verwehrt werden darf. Für mich hat der Satz für mein Leben eine große Bedeutung. Ich habe mich nicht über andere zu erheben und meine Meinung und Weltanschauung ist nicht die allein richtige. Gott unterscheidet auch, nicht wer besser glaubt oder wichtiger ist.
Ich bin in Berlin aufgewachsen und in den sechziger Jahren gab es viele Menschen, die oft aus militärischen Gründen aus anderen Ländern dort lebten. Viele sahen anders aus. Die Hautfarbe war anders, die Sprache war seltsam oder … Meine Mutter hat uns Kindern das einfach erklärt. „Es gibt blaue, rote, grüne, gelbe schwarze und weiße Menschen. Und wenn sie wie ihr hinfallen, tut es auch ihnen weh. Dann weinen sie genau wie ihr und freuen sich wie ihr, wenn jemand ein Pflaster auf ihre Wunde klebt.“ Für uns Kinder war es damit klar, dass wir nicht besser sind als andere und somit war es egal, wo jemand herkam, was er glaubt und wie er lebt und aussieht.
Aktuell werden in der Welt und auch in unserem Land viele Menschen von anderen vielen Menschen ausgegrenzt. Weil sie einen anderen Glauben haben, weil sie andere Wertvorstellungen haben, weil sie eine andere Meinung haben, weil sie anders lieben oder weil sie einfach anders sind. Mir macht das Angst. Weil daraus oft Gewalt entsteht, Kriege, Ausgrenzungen und Mobbing. Nein, so was ist nicht weit weg, sondern auch mitten unter uns.
Ja, ich möchte Unrecht, falsche Einstellungen und Meinungen und das daraus folgende Handeln klar benennen. Den anderen meinen Standpunkt deutlich machen. Aber sind sie deswegen Menschen 2. Klasse? Der Bibelvers sagt was anderes. Ich habe nicht zu unterscheiden, wer gut und wer nicht gut ist. Meine Welt mit den Augen Gottes, mit den Augen Jesu zu sehen, verändert mich und die Sicht auf andere. Das ist nicht nur Gottes Gebot, sondern auch in unserem Grundgesetz im Artikel 3 so formuliert.
Mir gelingt es nicht immer, so zu denken, so zu glauben und so zu handeln. Aber ich versuche, meine Sichtweise immer wieder zu überprüfen. Wie ich auf dem nächsten Fest reagieren werde, wenn die gleichen Menschen wieder da sind? Ich weiß es nicht wirklich. Aber ich möchte mich an einen Tisch mit ihnen setzen und gemeinsam essen und trinken und feiern. Sie sind es als Menschen wert. Ihnen meine Sicht der Dinge sagen kann ich dann irgendwann immer noch. Möge es uns gelingen, in der Gemeinde und unserer Umgebung Menschen durch Gottes Augen zu sehen und danach zu handeln.
Michael S.