Entzieh´ dich nicht deinem eigenen Fleisch und Blut!

Liebe Geschwister,

es ist wieder soweit: Adventszeit! Weihnachten steht vor der Tür! Was löst das bei uns aus? Was macht das mit uns? Fängt es da in unseren Herzen wieder geheimnisvoll warm an zu knistern, wenn wir an die Lieblichkeit und Schönheit von Weihnachten denken? – Oder beginnt jetzt wieder eine leidige Zeit, mit (trotz Corona) zunehmendem Trubel, Stress und Erwartungen von allen Seiten? – Oder werden uns auf einmal die Gegensätze von arm und reich, geliebt aufgehoben und einsam allein, von glücklich und elend unter uns, in unserer Gesellschaft, in der Welt wieder einmal neu bewusst? Und wir fragen uns wie wir eigentlich so feiern können, während andere sich wünschen, diese Zeit würde gar nicht erst kommen bzw. wäre bereits wieder vorbei?

Was will Weihnachten, Advent, der Beginn des neuen Kirchenjahres? Was wollen wir? Was will bei uns neu werden? Oder bleibt doch alles beim Alten? Was will sich wandeln in unserem Leben, wohin führt uns unsere jetzt besonders große Sehnsucht nach Liebe, Frieden und Glück? Sollen wir uns kasteien, Besinnung, Enthaltsamkeit und Verzicht üben in dieser Fastenzeit?

Ein geistliches Kontrastprogramm auflegen? – Oder sollen wir uns umso mehr noch engagieren, spenden, wohltätig werden, uns einbringen, helfen in der Familie, in der Gemeinde, in der Nachbarschaft?

Weihnachten, das Fest der Liebe. Wir kommen aus diesen Spannungen, diesen Fragen nicht heraus. Sollen wir auch gar nicht. – Wozu bewegt uns Weihnachten?

Der Monatsspruch für Dezember kommt uns da ganz klar, ganz einfach und ganz schwierig zugleich entgegen. Er steht bei Jesaja in einem Zusammenhang, wo der Prophet das Volk aufmerksam machen will zu gucken wie es aussieht: hinzuschauen, wo das Leben nicht stimmig ist, wo der Glaube, der Gottesdienst, die geistlichen Übungen nicht zum Rest des Lebens passen. Jesaja will die Leute – modern ausgedrückt – zu wirklich „gelebter Spiritualität“ bewegen. Dahin, dass sich die Beziehung zu Gott „einfach“ in den Beziehungen zu den Mitmenschen aus-lebt und umgekehrt.

„Seht, an eurem Fastentag geht ihr euren Geschäften nach und treibt alle eure Arbeiter an! Siehe, ihr fastet, um zu zanken und zu streiten…; ihr fastet nicht so, dass euer Rufen in der Höhe Erhörung finden könnte. Meint ihr, dass mir ein solches Fasten gefällt, wenn der Mensch sich selbst einen Tag lang quält und seinen Kopf hängen lässt wie ein Schilfhalm…? … Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: dass ihr ungerechte Fesseln, die Knoten des Joches löst und die Unterdrückten freilasst? Besteht es nicht darin, dass du dem Hungrigen dein Brot brichst und arme Verfolgte in dein Haus führst, und wenn du einen nackt siehst, ihn kleidest und dich deinem eigenen Fleisch und Blut nicht entziehst? – Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird rasch voranschreiten; deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deine Nachhut sein! Dann wirst du rufen, und der HERR wird antworten: ‚Hier bin ich‘! Wenn du das Joch aus deiner Mitte wegtust, das Fingerzeigen und das unheilvolle Reden; … dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag!“ (Jes. 58, 3b – 10)

Licht wird aufgehen in der Finsternis – ein weihnachtliches Bild. Aber mehr noch: Heilung, Befreiung, Frieden-Machen, gutes Reden, sich kümmern und sorgen um den andern, sich dem eigenen Fleisch und Blut nicht entziehen! Damit wird es (wieder) hell! Kommt das Leben!

Ist das die Art und Weise, wie es auch unter uns (wieder) neu Weihnachten werden will? Die Gerechtigkeit Gottes will offenbar werden, wirklich werden unter uns: indem wir aufeinander achten, indem wir einander „einfach“ gerecht werden, uns kümmern lassen, indem wir erkennen: der andere ist mein eigen Fleisch und Blut. Wie es im Doppelgebot der Liebe heißt:

„Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (5. Mose 6, 5)

Und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst = er ist wie du!“ (3. Mose 19, 18)

Herzlich euer Lukas Gebauer