Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. (Jakobus 1, 22)

Ein einleuchtendes Beispiel für diese Aufforderung gibt der Schreiber des Jakobusbriefes im 2. Kapitel, in den Versen 15 und 16:

„Stellt euch vor, ein Bruder oder eine Schwester hat nichts anzuziehen. Es fehlt ihnen sogar das tägliche Brot. Nun sagt einer von euch zu ihnen: „Geht in Frieden, ihr sollt es warm haben und euch satt essen.“ Ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen. – Was nützt das?“ (Basisbibel)

Ein einleuchtendes Beispiel. Ist doch klar. Versteht jedes Kind! Und trotzdem: „Was nützt das?“ Bei dieser Frage sollten wir innehalten und sie gar nicht zu schnell als rein rhetorische Frage abtun. Immerhin ist das Hauptthema des ganzen Jakobusbriefes: „Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ Hier eine kurze Erklärung der Basisbibel zum Jakobusbrief: „Das Hauptthema des Briefes ist die Kritik an einem Glauben, dem keine Taten folgen. Sie könnte sich gegen ein Missverständnis der Verkündigung des Paulus richten. Paulus betonte, dass Gott den Menschen aus Gnade annimmt und nicht, weil er das Gesetz befolgt. … Doch manche Menschen haben die Botschaft von der Gnade Gottes offenbar so missverstanden, dass das Tun nicht mehr zählt. Gegen diese Auffassung hat sich bereits Paulus selbst gewehrt (Römer 3,8; Galater 5,13 – 6,10).“ Offensichtlich war es ein verbreitetes Problem, dass Christen zu sehr beim Hören der guten Botschaft (und beim Reden) stehen geblieben sind und nicht die entsprechenden Taten haben folgen lassen. Aber was nützt so ein einseitiges theologisches Verständnis? Vielleicht der Bequemlichkeit und der Beruhigung des Gewissens? Wieder einmal geht es also darum, nicht einseitig zu werden: Einerseits und andererseits. Hören und Tun. Gerechtigkeit aus Gnade und Taten, die Frucht eines lebendigen Glaubens sind. In diesem „einerseits und andererseits“ entsteht eine Spannung, die uns immer wieder herausfordert und uns in unbequemer Weise nie ganz zur Ruhe kommen lässt. Oder anders gesagt, lebendig hält. Zum Hören und Tun klang im Beispiel schon ein Drittes an: das Reden. Das Reden liegt oft zwischen dem Hören und dem Tun: Wir hören die gute Botschaft und reden davon. Das ist gut so und ist unser Auftrag. Durch das Reden werden Informationen weitergegeben. Reden ist grundlegend für unsere Beziehungen. Beziehungen leben von Gesprächen und vom Gedankenaustausch. Reden kann aber auch darüber hinwegtäuschen, dass es noch an der konkreten Tat fehlt. Ein Halbsatz von Christoph Wiemann während einer Phase einer Gemeindeleitungsklausur vor ein paar Jahren geht mir immer wieder durch den Kopf: „Reden könnt ihr…!“ Das war damals nicht nur Lob. Ich denke, den größten Fehler, den wir machen können, ist das Hören, das Reden und das Tun gegeneinander auszuspielen oder eines davon zu vernachlässigen. Das kann durchaus nützen, nämlich unserer Bequemlichkeit und um „die Sache einfacher zu machen“. Aber ob wir dann unserer Berufung entsprechen, ist eine ganz andere Frage.

Also doch lieber in der Spannung bleiben zwischen Hören, Reden und Tun, die uns immer wieder herausfordert, uns nie ganz zur Ruhe kommen und uns lebendig bleiben lässt.

Rainer B.